Nicht nur Angst essen Seele auf – auch zuviel Sicherheit ist ein Produkt der Angst!

Mit dem Tauwetter hatte ich allen Ballast von mir geworfen, hauptsächlich belastende Erinnerungen und GefĂĽhle, aber auch materiellen Ballast, der mich an einen Ort, an ein Land gebunden hatte, in dem ich mich von jeher unfrei fĂĽhlte. Jetzt war ich alle Sicherheit dieses Landes los, war mein Leben wieder lebensgefährlich und ich auf mich allein gestellt. Damit ging eine neue Lebensintensität einher, die ich lange vermisst hatte. Endlich war ich wieder mit allen Sinnen völlig ich selbst im unendlichen Augenblick angekommen! Ich roch das Meer, das mare nostrum, fĂĽhlte die warme FrĂĽhlingssonne und den Wind, der den intensiven Geruch des Meeres mit sich brachte. Später sah ich in der Altstadt einen Schwarzafrikaner, der auf einem einfachen Xylophon das "Air" von Johann Sebastian Bach darauf spielte. Hier, im tĂĽrkischen Teil Zyperns, hörte ich Bach gespielt von einem Afrikaner. Ich setzte mich an einen freien Tisch eines Teehauses und bestellte mir einen Tschai. Von dieser Position aus konnte ich weiterhin den Afrikaner bei seinem musikalischen Spiel zusehen und hören. Auch er war ganz und gar in seinem Augenblick angekommen, was ich an seiner ganzen Körpersprache sehen konnte. Er war mit all seinen Sinnen voll da und hatte mich bereits als jemand wahr genommen, der genau so wach wie er teil dieses Augenblicks war. Als sich unsere Blicke trafen, lächelte er und zeigte das starke Gebiss eines noch jungen Mannes. Beneidenswert, durchfuhr es mich, was fĂĽr eine Vitalkraft steckt in diesem noch unverbrauchten Leben! Intuitiv hatte auch ich gelächelt, auch wenn mein Gebiss es nicht mit seinem aufnehmen konnte. Ich war immerhin doppelt so alt wie er und konnte noch immer spontan in einen Apfel beiĂźen oder ein paar Kilometer laufen ohne zu keuchen. Trotzdem war ich unzufrieden, nicht im Frieden und Einklang mit meinem Alter, welches letztlich einer ungewollten Zwangsläufigkeit unterlag und den Alterungsprozess anzeigte, der damit verbunden war. Geistig fĂĽhlte ich mich jung und körperlich war ich es nicht mehr – ein Widerspruch!

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